Dokumentenarchiv

Staatliche Kunstsammlung Dresden
Dresdner Museen
Stadtsilhouette

 

24. September 1991 - Hotel Dresdner Hof   

Die Nutzung der historischen Bauten Dresdens als Museen ...

... mit Dr. h.c. Werner Schmidt, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 
Aus einem Brief des Generaldirektors an den Vorstand des Gottfried Semper-Club e.V.:  ...“Die ehemals ‚Königlich Sächsischen‘ Sammlungen gehören zum Herzstück der Kultur Sachsens und der Landeshauptstadt, ebenso wie die Bauten für diese Sammlungen zum architektonischen Herzstück Dresdens gehören.

Nach den provisorischen und zum Teil bedenklichen Entscheidungen über die Unterbringung der Dresdner Museen in den vergangenen 40 Jahren ist es erforderlich, jetzt einen von allen Seiten gründlich bedachten Plan zu entwerfen, der auch die Bedürfnisse und Möglichkeiten des folgenden Jahrhunderts standhält. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden müssen ihre Vorschläge dazu einbringen.“ ..., wird das Anliegen des Vortrages deutlich. Gleichzeitig soll ein Bericht über den Stand unseres Spendenaufrufes zum „Wiederaufbau Dresdner Residenzschloss“ vom 16. November 1989 gegeben werden.

Fleissige Bauleute sind mit der endgültigen Formung des Dresdner Residenzschlosses, dem Monument Sächsischer Geschichte und Kultur beauftragt. Hier erfüllen sich für uns vielfältige Wünsche: Die Vervollkommnung der weltbekannten Dresdner Stadtsilhouette, die Darstellung der Ergebnisse der vielhunderjährigen Bautätigkeit des Hauses Wettin, das städtebauliche Erlebnis einmaliger  Schönheit des klingenden Platzes an der Elbe, die endgültige Beseitigung der Zeugnisse des Zweiten Weltkrieges nach über 46 Jahren. – Wie steht es jedoch um die Erfüllung der Wünsche und Vorstellungen der Kunstbewahrer und begeisterter Dresdner optimaler geistiger Inbesitznahme der Sächsischen Kunstschätze. Seit wenigen Monaten bestehen endlich wieder Möglichkeiten, Kultur- und Kunstzentren im Weltmaßstab kennenzulernen. Maßstäbe werden deutlich und Stadt, Geschichte, Kultur und Landschaft eingeordnet und mit erlaubtem Stolz in vielerlei Art gepriesen.

Wir, die Mitglieder des Gottfried Semper-Club Dresden e.V. haben in unserer 10jährigen Arbeit erfahren können, dass das Erscheinungsbild Dresden im 19. Jahrhundert besondere Prägung erfuhr, nicht zuletzt dank solcher Persönlichkeiten wie Wagner, v. Vogelstein, Friedrich, Tieck, Schlegel, Hoffmann, dank Gottfried Semper und seiner Schüler, dank kluger Kommunalpolitiker wie Beutler, Blüher, Illgen ...

Dabei standen der Stadt auch Bürger und Institutionen mit einer Förderfreudigkeit zur Verfügung, die den Ruf Dresdens in der Welt vertiefen halfen, wie Lingner, Bienert, Kühl, die Gebrüder Arnold oder Institutionen wie Dresdner Bank, Technische Universität und viele andere mehr.

In den vergangenen Jahren versuchten Bürgergruppen, auch Mitglieder des Gottfried Semper-Club, das Bautempo zur Wiedernutzung historischer Bauten zu beschleunigen. Über 10 praktische Wochenendeinsätze auf der Baustelle Semperoper stellten zum Beispiel eine Verbundenheit mit diesem Baudenkmal her. Gleiche Einsätze zur Unterstützung des Wiederaufbaues des Dresdner Residenzschlosses als dringend benötigter Museumskomplex erfolgten ebenfalls.

Eine öffentliche Betrachtung am 7. Oktober 1989 in der Tageszeitung SZ mit dem Titel „Müssen Konditoren Brötchen backen“ kritisierte Entscheidungen zum Einsatz von Bauleuten: Weg vom Schloss – hin zur Errichtung eines auch notwendigen Wasserwerkes.

Gerüste am Schlossbau und wachsende Tätigkeit bei der Bearbeitung der Ruine zeugen heute vom Fortschritt des Wiederaufbaues. Die Dresdner und Eurotouristen überzeugen sich täglich vom Fortschritt des Baues und damit der Rückgewinnung der gebauten Identität der Kultur- und Kunststadt.

So rückte auch bald der Taschenberg mit seinem Palais ins Blickfeld. Jedoch so einig konnten sich die Planer über die spätere Nutzung nicht werden. Standpunkte prallten aufeinander, die einen plädierten für museale Nutzung, die anderen für Hotelnutzung. Die Museumsleute hofften auf Einsicht. Heute ist entschieden, Hotelfunktion unter Wahrung der denkmalpflegerischen Gesichtspunkte. Zwei Jahre Bauzeit lassen auf Vollendung des Platzensembles hoffen.

Das „Neue Forum“ äusserte sich 1989 frühzeitig zur künftigen Nutzung der städtischen Gebäude und schlug Standortverteilungen und Konzentration der wichtigen wirtschaftlichen und kulturellen Einrichtungen vor. Glückliche Denkanstösse waren veranlasst. Wie werden heute die Überlegungen weitergeführt? Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Dr. Harald Marx, Direktor der Gemäldegalerie, welches die räumliche Zusammenführung des Museumszentrums um den Theaterplatz mit zentralem Eingang an der Schinkelwache zum Inhalt hatte. Gleiches konnte ich wenig vorher am Museumskomplex des Louvre in Paris praktisch erleben. Für die Dresdner Situation könnte das der verkehrstechnische Zusammenschluss Zwinger, Schloss, Taschenbergpalais, Georgenbau, Kanzleihaus, Johanneum und ein Museum für Moderne Kunst in einem möglichen Ergänzungsbau Schlosstrasse/Sporengasse mit unterirdischem zentral angelegten Parkmöglichkeiten im Bereich des Theaterplatzes mit Ein- und Ausfahrt vom Terrassenufer bedeuten. Davon riet er dringend ab, da museumspsychologisch begründet Masstab und Orientierung durch solch eine Zentralisierung nicht nur eingeschränkt, sondern gründlich verlorengingen. Im wesentlichsten Punkt gab es völlige Übereinstimmung, jeder Zuwachs an Museumsfläche könnte den Kunst- und Bildungswert der sächsischen Landeshauptstadt Dresden vergrössern.

Eine Chance wurde schon in den fünfziger Jahren vertan, indem der Vorschlag des damaligen Theaterleiters Hellberg, einen Theatergürtel um die Zwingeranlage mit Logenhaus, Orangerie im Herzogingarten für Kammerspiele, Operettentheater und Philharmonie zu errichten, fallen gelassen wurde.

Eine Klärung des Prozesses der Unterbringung der Museen und Neuzuordnung der Gebäude ist überreif. Ist es doch auf die Dauer aus heutiger Sicht überhaupt nicht mehr zu erklären, dass ein grosser prozentualer Anteil der Dresdner Kunstschätze in Depots für die Bürger unzugänglich lagert und keine Orientierung auf Beendigung dieses Zustandes bekannt ist. Wir sind uns einig, auch hier gelten marktwirtschaftliche Gesetze, nicht allein der materielle Wert, sondern Bildungs- und Erziehungswerte sollten so intensiv wie möglich genutzt werden.

Den Bemühungen der Bürger des 19. Jahrhunderts war vorbehalten, das öffnen der bis dahin verborgenen kurfürstlichen bzw. königlichen Sammlungen für die Bürgerschaft in Gestalt Botanischer Garten, Zoologischer Gärten, Museen, Wirtschafts- und Industriepräsentationen zu sichern. Die erste Weltausstellung 1853 in London, ist heute noch nicht vergessen. 100 Jahre später und fast 50 Jahre ohne Krieg sollte das ausgehende 20. Jahrhundert die grösstmögliche Präsentation der Kulturwerte nunmehr sichern. Jährlich steigende Besucherzahlen, internationaler Tourismus und wissenschaftliche Aufarbeitung haben das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage stark verschoben.

Selbst die im 19. Jahrhundert entstandenen Kunstvereine treten nach langer Unterdrückung aus der Anonymität heraus, um nunmehr gezielte Berührungen zwischen den Künsten unserer Gegenwart herzustellen.

Die Vielfalt der Förderkreise und Vereine bieten Unterstützung an. So traf der Semperclub auch zielgerichtet seine Überlegungen zur Gründung einer Stiftung Dresdner Schloss am 16. November 1989. Viele Deutsche liessen sich davon begeistern, und beteiligten sich mit Spenden und an weiteren Arbeitseinsätzen am Schloss. Es sei an dieser Stelle allen Freunden herzlichst gedankt. Es ist beachtenswert, wie die Führung der Dresdner Kunstsammlung den Gottfried Semper Club unterstützte. Wir sind froh, als Freunde der dort Tätigen, von berufener Stelle zum Ziel und Stand der wichtigen Museumskonzeption, Informationen zu erhalten und wollen nach besten Kräften Unterstützung geben, um die einmalige Chance aus entwicklungsbedingter Vernachlässigung nunmehr die weltweiten Erfahrungen nutzen, um durch ordnen der Möglichkeiten nahezu ideale Ergebnisse zu erhalten.

 

Klaus F. W. Tempel