Richard
Wagner, dessen Todestag sich am 13. Februar 1983 zum 100. Mal jährt, gehört zu den
grössten Musikerpersönlichkeiten im 19. Jahrhundert. Seine Kindheit, Jugend und die
Jahre der Reife verbrachte er hauptsächlich in Dresden. Er besuchte die Kreuzschule, und
hier wurde der Grundstock für seine weitreichenden künstlerischen und geistigen
Interessen gelegt. Mit Dresden ist Wagners kompositorisches, interpretatorisches,
musikpropagandistisches und kulturpolitisches Schaffen aufs engste verknüpft. Am 7.
April 1842 brach Wagner mit seiner Frau Minna von Paris nach Dresden auf, um die
Uraufführung seiner "Grossen tragischen Oper" "Rienzi" vorzubereiten.
Die Premiere dieses Werkes am 20. Oktober 1842 war ein glänzender Erfolg. Nach dem
Ableben des Dresdner Musikdirektors Joseph Rastrelli und dem Tode des Hofkapellmeisters
Francesco Morlacchi wurde Wagner am 2. Februar 1843 zum "Königlich Sächsischen
Hofkapellmeister" auf Lebenszeit ernannt.
Bereits im November 1841 hatte er in Paris die Partitur seiner romantischen Oper
"Der fliegende Holländer" vollendet. Auch dieses Werk wurde am 2. Januar 1843
in Dresden uraufgeführt. In Dresden entstanden des weiteren die Partitur der
"Grossen romantischen Oper" "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der
Wartburg", am 13. April 1845 vollendet, sowie die "Lohengrin"-Dichtung. Der
"Tannhäuser" wurde am 19. Oktober 1845 in Dresden erfolgreich uraufgeführt.
Den Höhepunkt der kompositorischen Tätigkeit Wagners in der Elbresidenz bildete die
romantische Oper "Lohengrin". Am 28. April 1848 brachte Wagner die Partitur zum
Abschluss. Die Uraufführung dieses Werks erfolgte am 28. August 1850 durch Franz List in
Weimar.
Der "Rienzi" steht noch stark in der Traditionslinie der französischen Grand
opera. Wagner übernahm die bei diesem Operntyp üblichen Usancen, verband sie aber,
ausgehend von Bulwers Romanhandlung, mit Haupt- und Staatsaktionen, deren
Aktualitätsbezug unverkennbar war. Die Verbindung von Kunst und Politik entsprach den
Forderungen der Jungdeutschen, einer literarischen Richtung, mit der Wagner damals
sympathisierte.
Beim "Fliegenden Holländer" fällt auf, dass der Komponist die stark
psychologisch motivierte Handlungsweise der Hauptperson in den Kontext faszinierender
Naturtableaus einbettet, aus denen die Chöre und Volksszenen herausragen. Senta und
Holländer verkörpern den Konflikt zwischen Reinheit und Sinnlichkeit. Diese Problematik
entlehnte Wagner wiederum der jungdeutschen Literatur. Der "Fliegende
Holländer" ist zudem das Werk, in dem der Komponist ausgiebig die Leitmotivtechnik,
die den späteren Musikdramen zugrunde liegt, erprobte.
Auch im "Tannhäuser" ist der jungdeutsche Einfluss gravierend. Tannhäuser
ist in den Konflikt von Sinneslust und Seelenfrieden verstrickt. Wagner verband die
jungdeutsche Problematik mit den drei Sagenkreisen von Sängerkrieg auf der Wartburg,
Tannhäuser und der Heiligen Elisabeth, mit der Farbigkeit der Landschaft und Erfahrungen
der deutschen Geschichte.
Unter den in Dresden vollendeten romantischen Opern Wagners gebührt dem
"Lohengrin" die Krone. Der Komponist erweist sich auch hier als politisch
engagierter Künstler. Hinter dem mythologisch verkleideten Geschehen und der Einbettung
der Handlung in die deutsche Vergangenheit steht ein unverkennbarer Aktualitätsbezug.
Fast gleichzeitig mit dem Prosaentwurf des "Lohengrin" vollendete Wagner im
Juli 1845 die erste Prosafassung der "Meistersinger von Nürnberg". Das
Szenarium enthält bereits die gesamte Grundkonzeption und den Ideengehalt des späteren
Meisterwerks.
Wagner hatte während seiner Dresdner Zeit ausser den bereits genannten Operndichtungen
auch mehrere andere in Angriff genommen, die aber allesamt Torso blieben bzw. über das
Stadium des Entwurfs nicht hinauskamen. So brachte er 1848 unter dem Eindruck der Lektüre
Feuerbachs die dramatische Dichtung "Jesus von Nazareth" ziemlich weit voran. In
der zweiten Hälfte des Jahres 1848 verwandte Wagner viel Energie und Zeit damit, die
Textfassung des "Ring des Nibelungen" schrittweise zu realisieren. Wie Martin
Gregor-Dellin sehr treffend feststellt, hatte Wagner alle grossen Themen seines Lebens in
Dresden zum Abschluss gebracht oder in Angriff genommen. Selbst mit der
"Tristan"-Problematik beschäftigte sich der grosse Musiker bereits in der
Elbestadt.
Nachdem am 9. Januar 1848 seine Mutter verstorben war, schien es ihm, als seien
zugleich die letzten inneren Bande, die ihn mit Dresden verknüpften, zerrissen. In den
noch verbleibenden Monaten seines Dresdner Aufenthaltes nahmen ihn die revolutionären
Ereignisse voll in Anspruch. Wagners aktive Rolle im Vorfeld der Revolution und in den
entscheidenden Maitagen des Jahres 1849 ist zu bekannt, als dass sie hier ausführlich
dargelegt werden müsste. Wagner demonstrierte mit seinem persönlichen leidenschaftlichen
Engagements für die revolutionären Demokraten, dass zwischen seinem Weltbild und seinem
Notenbild kein Widerspruch klaffte.
Wir stellen zusammenfassend fest, dass die Dresdner Jahre die entscheidenden in Wagners
Leben waren.