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mit Herrn
Dipl.-Ing. Reinhard Spehr vom
Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden
Ausgrabungen in der Burg von
Dresden
Von
1982 bis 1986 führte das Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden
unter Leitung des Verfassers archäologische Ausgrabungen im
Residenzschlosse durch. Es war die letzte Chance zu solchen
Forschungen vor dem Wiederaufbau. Allein wissenschaftliche Fragen,
allerdings von höchster Bedeutung, reizten uns an dieser Aufgabe: Wo
lag der Königshof Nisan, bei dem Kaiser Heinrich II. im Jahre 1004
Schiffe zusammenzog und der Ende des 12 Jh. wiederum in einem
Verzeichnis der größten Königsgüter Friedrich Barbarossas
erscheint?
Theoretisch standen für die gesuchte Königsburg zwei Plätze
zur Verfügung: 1. Umkreis der Frauenkirche, 2. das Dresdner Schloß.
Noch nach dem ersten Ausgrabungsjahr waren wir des festen Glaubens,
Nisan unter dem Schlosse entdeckt zu haben.
Inzwischen sehen wir
klarer und können nach vierjährigen Mühen folgendes vorlegen:
Dresden wurde um 1170 durch Kaiser Friedrich I. gegründet, wobei der
alte Königshof Nisan im Umkreis der Frauenkirche, der damals möglicherweise
zur Pfalz ausgebaut wurde, außerhalb der Stadtmauer blieb. Im Norden
der von 3 angestauten Seen umgebenen Stadt war ein Immunitätsbezirk
abgegrenzt, durch den die Hauptstraßenachse zur Brücke führte. Dieser „Bezirk“ hat im Mittelalter eine dreigegliederte Geschichte
durchlaufen:
1.
Die erste Phase ist gekennzeichnet durch Fachwerkhäuser, z. T.
mit Unterkellerung eines um 1170 gegründeten Bauhofes. der sich, von
einer Mauer umgeben, links und rechts der Schloßstraße weithin
erstreckte. Diese Werksiedlung wurde durch einen Wasserkanal versorgt,
zu dem der mehrere
Kilometer lange Kaitzbach-Aquädukt gehört haben muß. Verschiedene
Anzeichen sprechen dafür, daß hier fremde, wohl italienische
Bauleute wohnten und arbeiteten. Diese waren als Spezialisten maßgeblich
an der steinernen Bogenbrücke beschäftigt, deren Bau vielleicht 1173
auf dem Hoftage in Oberhermsdorf bei Dresden durch den Kaiser
Friedrich beschlossen worden war. Mit ihr wurde die neugegründete
Reichsstadt Dresden über eine Straßenverbindung nach Königsbrück
(!) an die Via Regia Lusatiae angebunden. Unsere Ausgrabungen an der Brücke
erbrachten ziemlich eindeutige Beweise für den Wahrheitsgehalt der
alten verlachten Legenden vom Baubeginn 1173 und dem italienischen
Baumeister Matthaeus Focius, dessen einzelnes Signum wir neben über
200 Zeichen seiner 5 Gesellen entdeckt haben.
2.
Um 1200 werden die Häuser des Bauhofes nach einem Brande
planiert und Markgraf Dietrich von Meißen Iäßt in kürzester Zeit
einen rechteckigen Palasthof
(Curie) mit 4 Ecktürmen und einem weiteren Turm an der westlichen
Hofmauer sowie mit 2 palastartigen Wohnbauten errichten: einer
west-ost-orientierten, 19 m langen und 10 m breiten Kemenate mit
dreijochiger KelIerhalle und einem nord-süd-orientierten, etwa 24
m langen und 13 m breiten Palatium, von dem aber nur ein kleiner
gedielter Kellerraum mit Rundbogenfenster (Bad?) vollständig freigelegt
werden konnte. Leider sind die archäologischen und
kunsthistorischen Datierungsmöglichkeiten überfordert, um sagen zu
können, ob die ehrenwerte Versammlung am 31. März 1206 in Dresden
hier in diesem markgräflischen Palast
stattgefunden hat. Immerhin wäre der Kemenatenkeller groß (110 m2)
und repräsentativ genug gewesen (Kreuzgratgewölbe auf 4
Sandstein-EckpfeiIern und 4 Wandpfeilern mit Gurtbögen; mindestens
2 große Fenster, großzügiger Treppenabgang vom Hof; Portal;
Wandnische), um die erwähnten über 50 hohen Gäste und einen Teil
ihres Gefolges aufnehmen zu können.
3.
Die dritte Phase ist gekennzeichnet durch den Ausbau der vieltürmigen
spät-romantischen Curie zur festen Burg unter Markgraf Wilhelm
(1379—1407) : Das alte Palatium wird abgebrochen, die Kemenate aber
beibehalten. Im Norden wird ein mächtiger Wohnturm (Hausmannsturm)
als westlicher Abschluß eines prächtigen Palastes (Altes Haus)
errichtet. Rundum werden doppelte Zwingermauern und ein 20 m breiter
Wassergraben gezogen. Das Tor befand sich, wie in romanischer Zeit,
im Osten und wurde erst in der Spätgotik (nach 1470), als durch
umfangreiche Baumaßnahmen die Burg zum Schlosse umgestaltet wurde, an
die Südseite verlegt. Um 1470/80 entstand u. a. auch jene prachtvolle
Säulenhalle mit 2 Schiffen zu je 4 Jochen, die vor 1520 völlig
umgebaut werden mußte, da sie anscheinend durch das Erdbeben von 1505
stark beschädigt worden war.
Reinhard
Spehr
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