2 Jahre weilte Gottfried Semper als
Professor der Baukunst in Dresden, als im nahegelegenen Dorf Loschwitz dem Weinbergs- und
Gartennahrungsbesitzer Gottfried Kotzsch am 20. September 1836 ein Sohn geboren wurde. Der
junge Friedrich August Kotzsch wuchs heran und besuchte die Loschwitzer Dorfschule, die
neben der barocken Dorfkirche von George Bähr am Landweg nach Pillnitz lag. Gemeinsam mit
seiner älteren Schwester führte ihn der tägliche Schulweg von den Oberloschwitzer
Höhen hinunter ins Elbtal. Damals waren die Höhenzüge am rechten Elbufer zwischen
Loschwitz und Pillnitz mit Weinreben bepflanzt und zahlreiche Sommerhäuser der Dresdner
Bürger standen neben den einfachen Winzerhäusern. Wegen seiner malerischen Lage war
Loschwitz das Ziel von Künstlern, Schauspieler, Schriftsteller, Komponisten vor
allem jedoch Maler wohnten ständig oder vorübergehend hier.
So auch Ludwig Richter, der 1852 und 1857 in Kotzschens Weinberg, dem Elternhaus von
Friedrich August einen Arbeitsraum gemietet hatte. In seinen Tagebüchern sind immer
wieder Eintragungen enthalten, in denen er seine Freunde an den in Loschwitz verbrachten
Sommeraufenthalten zum Ausdruck bringt. So schreibt Ludwig Richter am 1. Mai 1854:
O Gott, wie herrlich ist hier von meinem Plätzchen auf dem Berge die weite Gegend! So
himmlisch schön, so sinnlich schön. Der blaue tiefe Himmel, die weite grüne Welt, die
schöne helle Mailandschaft mit tausend STIMMEN BELEBT!
Und am 28. Juni 1857 notiert er: "Die Aussicht aus meinem Fenster ist wundervoll
und für mich inhaltsreich. Meine stille Hütte liegt am Rande eines Berges und es öffnet
sich über dem Elbspiegel, der am Fuße heraufglänzt, das weite Elbtal und die Aussicht
von den fernen böhmischen Bergen im Süden bis zu den Meißner Höhen im Westen. Ich sehe
ein Stück meines Lebens auf diesem Bilde."
Friedrich August Kotzsch, zu dieser Zeit ein junger Mann, hat Ludwig Richter oft beim
Arbeiten zugesehen und um diese Zeit begann er mit eigenen künstlerischen Arbeiten und
Versuchen. Er zeichnete nach der Natur und kopierte Arbeiten Ludwig Richters, gern hätte
er mit einer künstlerischen Ausbildung begonnen, die bescheidenen Verhältnisse, in denen
die Familie lebte, gestatteten dies jedoch nicht. Da kam dem jungen Mann in seiner
weiteren persönlichen Entwicklung eine Erfindung zugute, die damals einen enormen
Verbreitungskreis gefunden Hatte. 1839 in Paris veröffentlicht, hatte die Photographie in
den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts ihren Siegeszug angetreten. Vor allem Maler
betätigten sich als Photographen. In Loschwitz war es der Maler August Niemann, dem
Kotzsch beim Photographieren half. Die Niemannschen Geräte übernahm Kotzsch nach dessen
Tod und er führte seine Arbeiten weiter. Um 1855 hatte sich ein neues technisches
verfahren, die sogenannte Nasse Platte oder Kolladium Photographie durchgesetzt. In
Dresden war der Photograph Hermann Krone, der schon 1853 seine berühmten
Landschaftsbilder aus der Sächsischen Schweiz schuf. Auch F. A. Kotzsch benutzte dieses
Verfahren. Es gestattete erstmals auf einfachere Weise, wenn auch noch umständlich genug,
Landschaftsaufnahmen und überhaupt Aufnahmen ausserhalb des Hauses oder eines Ateliers.
Der Photograph musste allerdings in einem Zelt oder einem Wagen seine Platten an Ort und
Stelle unmittelbar vor der Aufnahme selbst gießen, noch im nassen Zustand belichten und
sofort entwickeln. Kotzsch benutze eine fahrbare Dunkelkammer, die aus einem mit Segeltuch
überspannten Lattengestell auf zwei Rädern bestand. Auf diese Art und Weise hat er etwa
seit 1860 bis 1895 Hunderte von Aufnahmen in Loschwitz und in der näheren Umgebung
gemacht. Den Hof seines Elternhauses benutze er als "Freilicht-Atelier" für
Porträt- und Gruppenaufnahmen.
Er erkannte die landschaftlichen Schönheiten seiner Heimat und hielt sie ebenso, wie
bescheidene Blumen, Pflanzen oder Bäume im Lichtbild fest. Gefragt waren seine
"Studienphotographien" von Malern, die die Lichtbilder an Stelle von Modellen
benutzten. Aber Kotzsch war auch ein früher "Bildreporter" und mit seiner
Kamera überall dann zur Stelle, wenn in Loschwitz ein Ereignis stattfand, sei es nun die
Grundsteinlegung der neuen Schule, die Einweihung eines Denkmals, der Besuch des Königs
oder auch Naturereignisse, wie das grosse Elbhochwasser 1876, Überschwemmungen nach
Wolkenbrüchen oder Brandkatastrophen.
Kotzsch gehörte zu den frühen Photographen im Dresdner Raum, seine Leistungen stehen
weit über dem Durchschnitt der damaligen Photographie. Er war Jahrzehnte hindurch der
einzige Photograph im Dresdner Osten.
Bis vor wenigen Jahren waren seine Arbeiten kaum beachtet und nur gelegentlich von
seinem Sohn Otto Kotzsch für heimatkundliche Vorträge gezeigt worden. Durch glückliche
Umstände blieben etwa 600 seiner Aufnahmen an verschiedenen Stellen erhalten, in der
Deutschen Fotothek, im Museum für Stadtgeschichte, im Kupferstichkabinet und im
Staats-Archiv sind Proben seines Könnens zu finden. Mit der Zunahme des Interesses für
"alte Photographien", besonders seit der Ausstellung der Staatlichen
Kunstsammlungen 1982 im Albertinum wurden auch seinen Arbeiten Aufmerksamkeit geschenkt.
Seit mehr als 5 Jahren versucht der Autor dieser Zeilen die noch vorhandenen Arbeiten
zusammenzutragen, mit dem Ziel, zum 150 Geburtstag von Friedrich August Kotzsch im Jahre
1986 eine Monographie mit etwa 200 ausgewählten Aufnahmen im Dresdner Verlag der Kunst
herauszugeben: