Aus
einem Brief des Generaldirektors an den Vorstand des Gottfried Semper-Club e.V.: ...Die ehemals Königlich
Sächsischen Sammlungen gehören zum Herzstück der Kultur Sachsens und der
Landeshauptstadt, ebenso wie die Bauten für diese Sammlungen zum architektonischen
Herzstück Dresdens gehören.Nach den provisorischen und zum Teil
bedenklichen Entscheidungen über die Unterbringung der Dresdner Museen in den vergangenen
40 Jahren ist es erforderlich, jetzt einen von allen Seiten gründlich bedachten Plan zu
entwerfen, der auch die Bedürfnisse und Möglichkeiten des folgenden Jahrhunderts
standhält. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden müssen ihre Vorschläge dazu
einbringen. ..., wird das Anliegen des Vortrages deutlich. Gleichzeitig soll ein
Bericht über den Stand unseres Spendenaufrufes zum Wiederaufbau Dresdner
Residenzschloss vom 16. November 1989 gegeben werden.
Fleissige Bauleute sind mit der endgültigen Formung des Dresdner
Residenzschlosses, dem Monument Sächsischer Geschichte und Kultur beauftragt. Hier
erfüllen sich für uns vielfältige Wünsche: Die Vervollkommnung der weltbekannten
Dresdner Stadtsilhouette, die Darstellung der Ergebnisse der vielhunderjährigen
Bautätigkeit des Hauses Wettin, das städtebauliche Erlebnis einmaliger Schönheit des klingenden Platzes an der Elbe, die
endgültige Beseitigung der Zeugnisse des Zweiten Weltkrieges nach über 46 Jahren.
Wie steht es jedoch um die Erfüllung der Wünsche und Vorstellungen der Kunstbewahrer und
begeisterter Dresdner optimaler geistiger Inbesitznahme der Sächsischen Kunstschätze.
Seit wenigen Monaten bestehen endlich wieder Möglichkeiten, Kultur- und Kunstzentren im
Weltmaßstab kennenzulernen. Maßstäbe werden deutlich und Stadt, Geschichte, Kultur und
Landschaft eingeordnet und mit erlaubtem Stolz in vielerlei Art gepriesen.
Wir, die Mitglieder des Gottfried Semper-Club Dresden e.V. haben in
unserer 10jährigen Arbeit erfahren können, dass das Erscheinungsbild Dresden im 19.
Jahrhundert besondere Prägung erfuhr, nicht zuletzt dank solcher Persönlichkeiten wie
Wagner, v. Vogelstein, Friedrich, Tieck, Schlegel, Hoffmann, dank Gottfried Semper und
seiner Schüler, dank kluger Kommunalpolitiker wie Beutler, Blüher, Illgen ...
Dabei standen der Stadt auch Bürger und Institutionen mit einer
Förderfreudigkeit zur Verfügung, die den Ruf Dresdens in der Welt vertiefen halfen, wie
Lingner, Bienert, Kühl, die Gebrüder Arnold oder Institutionen wie Dresdner Bank,
Technische Universität und viele andere mehr.
In den vergangenen Jahren versuchten Bürgergruppen, auch Mitglieder
des Gottfried Semper-Club, das Bautempo zur Wiedernutzung historischer Bauten zu
beschleunigen. Über 10 praktische Wochenendeinsätze auf der Baustelle Semperoper
stellten zum Beispiel eine Verbundenheit mit diesem Baudenkmal her. Gleiche Einsätze zur
Unterstützung des Wiederaufbaues des Dresdner Residenzschlosses als dringend benötigter
Museumskomplex erfolgten ebenfalls.
Eine öffentliche Betrachtung am 7. Oktober 1989 in der Tageszeitung
SZ mit dem Titel Müssen Konditoren Brötchen backen kritisierte
Entscheidungen zum Einsatz von Bauleuten: Weg vom Schloss hin zur Errichtung eines
auch notwendigen Wasserwerkes.
Gerüste am Schlossbau und wachsende Tätigkeit bei der Bearbeitung
der Ruine zeugen heute vom Fortschritt des Wiederaufbaues. Die Dresdner und Eurotouristen
überzeugen sich täglich vom Fortschritt des Baues und damit der Rückgewinnung der
gebauten Identität der Kultur- und Kunststadt.
So rückte auch bald der Taschenberg mit seinem Palais ins Blickfeld.
Jedoch so einig konnten sich die Planer über die spätere Nutzung nicht werden.
Standpunkte prallten aufeinander, die einen plädierten für museale Nutzung, die anderen
für Hotelnutzung. Die Museumsleute hofften auf Einsicht. Heute ist entschieden,
Hotelfunktion unter Wahrung der denkmalpflegerischen Gesichtspunkte. Zwei Jahre Bauzeit
lassen auf Vollendung des Platzensembles hoffen.
Das Neue Forum äusserte sich 1989 frühzeitig zur
künftigen Nutzung der städtischen Gebäude und schlug Standortverteilungen und
Konzentration der wichtigen wirtschaftlichen und kulturellen Einrichtungen vor.
Glückliche Denkanstösse waren veranlasst. Wie werden heute die Überlegungen
weitergeführt? Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Dr. Harald Marx, Direktor der
Gemäldegalerie, welches die räumliche Zusammenführung des Museumszentrums um den
Theaterplatz mit zentralem Eingang an der Schinkelwache zum Inhalt hatte. Gleiches konnte
ich wenig vorher am Museumskomplex des Louvre in Paris praktisch erleben. Für die
Dresdner Situation könnte das der verkehrstechnische Zusammenschluss Zwinger, Schloss,
Taschenbergpalais, Georgenbau, Kanzleihaus, Johanneum und ein Museum für Moderne Kunst in
einem möglichen Ergänzungsbau Schlosstrasse/Sporengasse mit unterirdischem
zentral angelegten Parkmöglichkeiten im Bereich des Theaterplatzes mit Ein- und Ausfahrt
vom Terrassenufer bedeuten. Davon riet er dringend ab, da museumspsychologisch begründet
Masstab und Orientierung durch solch eine Zentralisierung nicht nur eingeschränkt,
sondern gründlich verlorengingen. Im wesentlichsten Punkt gab es völlige
Übereinstimmung, jeder Zuwachs an Museumsfläche könnte den Kunst- und Bildungswert der
sächsischen Landeshauptstadt Dresden vergrössern.
Eine Chance wurde schon in den fünfziger Jahren vertan, indem der
Vorschlag des damaligen Theaterleiters Hellberg, einen Theatergürtel um die Zwingeranlage
mit Logenhaus, Orangerie im Herzogingarten für Kammerspiele, Operettentheater und
Philharmonie zu errichten, fallen gelassen wurde.
Eine Klärung des Prozesses der Unterbringung der Museen und
Neuzuordnung der Gebäude ist überreif. Ist es doch auf die Dauer aus heutiger Sicht
überhaupt nicht mehr zu erklären, dass ein grosser prozentualer Anteil der Dresdner
Kunstschätze in Depots für die Bürger unzugänglich lagert und keine Orientierung auf
Beendigung dieses Zustandes bekannt ist. Wir sind uns einig, auch hier gelten
marktwirtschaftliche Gesetze, nicht allein der materielle Wert, sondern Bildungs- und
Erziehungswerte sollten so intensiv wie möglich genutzt werden.
Den Bemühungen der Bürger des 19. Jahrhunderts war vorbehalten, das
öffnen der bis dahin verborgenen kurfürstlichen bzw. königlichen Sammlungen für die
Bürgerschaft in Gestalt Botanischer Garten, Zoologischer Gärten, Museen, Wirtschafts-
und Industriepräsentationen zu sichern. Die erste Weltausstellung 1853 in London, ist
heute noch nicht vergessen. 100 Jahre später und fast 50 Jahre ohne Krieg sollte das
ausgehende 20. Jahrhundert die grösstmögliche Präsentation der Kulturwerte nunmehr
sichern. Jährlich steigende Besucherzahlen, internationaler Tourismus und
wissenschaftliche Aufarbeitung haben das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage
stark verschoben.
Selbst die im 19. Jahrhundert entstandenen Kunstvereine treten nach
langer Unterdrückung aus der Anonymität heraus, um nunmehr gezielte Berührungen
zwischen den Künsten unserer Gegenwart herzustellen.
Die Vielfalt der Förderkreise und Vereine bieten Unterstützung an.
So traf der Semperclub auch zielgerichtet seine Überlegungen zur Gründung einer Stiftung
Dresdner Schloss am 16. November 1989. Viele Deutsche liessen sich davon begeistern, und
beteiligten sich mit Spenden und an weiteren Arbeitseinsätzen am Schloss. Es sei an
dieser Stelle allen Freunden herzlichst gedankt. Es ist beachtenswert, wie die Führung
der Dresdner Kunstsammlung den Gottfried Semper Club unterstützte. Wir sind froh, als
Freunde der dort Tätigen, von berufener Stelle zum Ziel und Stand der wichtigen
Museumskonzeption, Informationen zu erhalten und wollen nach besten Kräften
Unterstützung geben, um die einmalige Chance aus entwicklungsbedingter Vernachlässigung
nunmehr die weltweiten Erfahrungen nutzen, um durch ordnen der Möglichkeiten nahezu
ideale Ergebnisse zu erhalten.
Klaus F. W. Tempel